Schriftliche Fassung des Vortrags von Rechtsanwalt Schabbeck am 2. Ludwigshafener Unternehmerforum

Der alltägliche Fall: 

Keiner will es wahrhaben, dennoch geschieht es jeden Tag. Menschen werden Opfer von Unfällen oder von schweren Krankheiten. Dies trifft - entgegen häufiger Selbsteinschätzung derselben - auch Unternehmer. In unserer Kanzlei wurde 2015 beispielsweise eine Angelegenheit bearbeitet, die zunächst als Verkehrsunfall daherkam, dann aber ganz andere Probleme mit sich brachte. Der Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens mit etwa 30 Mitarbeitern war schwer verunfallt. Er lag über längere Zeit im Koma und war dann auch gesundheitlich so angeschlagen, dass er die Führung seines Unternehmens zunächst nicht mehr leisten konnte. Dies führte sofort zu zwei erheblichen Problemen. Zunächst fehlte es an Liquidität, und zwar in der Familie des Unternehmers. Hier verzögerte die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners - trotz eindeutiger Sachlage - die Regulierung von Leistungen. Da der Unternehmerlohn zunächst nicht bezahlt werden konnte, kam es innerhalb der Familie des Mandanten zu Engpässen. Hier hätten sicherlich eine bessere Krankentagegeldversicherung und eventuell sogar eine Betriebsausfallversicherung genutzt.

Daneben stand die Firma vor einem ganz anderen Problem, nämlich wer die zahlreichen täglich anstehenden einzelnen Entscheidungen treffen sollte, die in dem auf den Mandanten fokussierten Unternehmen immer wieder aufschlugen. Hier konnte nach einiger Zeit eine externe Führungskraft interimsmäßig übernehmen. Damit war aber noch nicht alles im Lot. Es stellte sich sogleich das nächste Problem, nämlich wie sollte das Unternehmen geführt werden? Einzelunternehmertypisch waren nämlich wesentliche Informationen zur Führung des Unternehmens nicht vorhanden. Dies begann bei Passworten für Software, setzte sich fort über PIN-Nummern für Bankkonten und endete noch nicht bei Besprechungen mit Kunden und Lieferanten über mögliche aufkommende Projekte, ganz zu schweigen von Fragen, welche Personalentwicklungsschritte notwendig wären und Ähnliches.

Was passiert ohne Vorsorge?

Da unternehmerseitig für einen entsprechenden Ersatzmann nicht gesorgt war, wäre es für eine Vielzahl von Entscheidungen notwendig geworden, einen Betreuer für den Mandanten zu bestellen. Hier ist nach § 1897 BGB das Amtsgericht verpflichtet gewesen. Das Amtsgericht hätte nach dieser Norm einen Betreuer bestellen müssen, der geeignet ist, die entsprechende Betreuung des Mandanten zu übernehmen. Allerdings: Woher weiß ein Richter, wer geeignet ist, das spezifische Unternehmen zu führen? Im Zweifel wird das Gericht jemanden suchen, vom dem eine ordnungsgemäße Verwaltung des Unternehmens erwartet werden kann, viel unternehmerische Initiative kann von der Wahl des Gerichts nicht erwartet werden.

Dieses Problem hat auch das Gesetz erkannt und verpflichtet das Gericht im § 1897 Abs. 5 BGB dazu bei der Auswahl des Betreuers auf die verwandtschaftlichen und sonstigen persönlichen Bindungen des Volljährigen zu achten. Daneben soll das Gericht allerdings auch auf die Gefahr von Interessenskonflikten Rücksicht nehmen.

Das zeigt zweierlei: Zum einen, dass die Kinder und Ehegatten keineswegs von Gesetzes wegen eine entsprechende Vertretungsmacht haben. Es bedarf eines entsprechenden richterlichen Beschlusses. Zudem stellt sich die Frage, ob allein die familiäre Verbindung dazu führt, dass die Vertretung im Unternehmen sinnvoll ist. Ferner erschließt sich aus dem § 1897 Abs. 5 S 2 BGB, dass die Geschäftspartner und Mitgesellschafter, soweit solche vorhanden sind, nicht als Betreuer durch das Gericht vorgeschlagen werden dürften, da bei ihnen Interessenskonflikte durchaus zu erwarten wären.

Was ist die Lösung?

Befriedigend ist diese Lösung nicht. Daher sieht das Gesetz ebenso vor, dass jemand vorgeschlagen werden kann, der als Betreuer bestellt werden soll. Von dieser Möglichkeit kann man dementsprechend Gebrauch machen. Noch besser ist es allerdings, wenn kein Betreuer bestellt werden muss, da „Jemand“ mit einer hinreichenden Vorsorgevollmacht ausgestattet ist. Denn der Betreuer ist zwar einerseits unproblematisch und umfänglich rechtlich für alle Entscheidungen berechtigt, allerdings untersteht der Betreuer der richterlichen Kontrolle. Das bedeutet, er muss gegenüber dem Gericht Rechenschaft ablegen. Dies bedeutet, dass einerseits auch hier wieder die „richterliche Denke“ in das Unternehmen übergreift. Dies muss keine unternehmerische Denke sein. Daneben kommt hinzu, dass für die entsprechende Kontrolle Unterlagen und Daten sowie Entscheidungsgrundlagen an das Gericht überlassen werden. Ob sie dort immer so geheim verwaltet werden, wie dies wünschenswert wäre, bleibt zu hoffen.

Die Lösung für den Ausfall des Unternehmers als Führungskraft ist also nicht die Betreuung, sondern die Vorsorgevollmacht. Unter Vorsorgevollmacht versteht man eine Vollmacht, die im Voraus erteilt wird für den Fall, dass derjenige, der die Vollmacht gibt, selbst momentan oder dauerhaft nicht in der Lage ist für sich selbst aufzutreten. Dabei ist es in der Regel sinnvoll, hier private und geschäftliche Angelegenheiten zu unterscheiden. Denn was für die Familie gut ist, ist häufig für das Unternehmen nicht von Vorteil.

Es bedarf also einer eigenen Lösung. Primär ist dabei, wie dargestellt, die Vorsorgevollmacht das Mittel der Wahl. Daneben kann sich allerdings bei längeren Ausfällen auch ein erzwungener Austritt aus einer mehrgliedrigen Gesellschaft anbieten. Dies ist immer dann sinnvoll, wenn der Platz des Gesellschafters aufgrund der individuellen Fähigkeiten und/oder der individuellen Persönlichkeit nicht vertretungsmäßig ausgefüllt werden kann. Dies ist häufig insbesondere bei Freiberuflergesellschaften der Fall und sollte als Alternative nicht außer Betracht gelassen werden.

Ist allerdings der Ausschluss keine Alternative, so bleibt es bei der Vertretung durch die Vollmacht. Dabei wird innerhalb der GmbH die Ausübung der Gesellschafterrechte vertreten - eine Vertretung des Geschäftsführers ist juristisch nicht möglich. Bei der Personengesellschaft dagegen übernimmt der Vertreter Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse in der Gesellschaft. Diese entsprechenden Regelungen müssen, und hier besteht in der Regel juristischer Handlungsbedarf, in den Satzungen entsprechend aufgenommen werden.

Wie ist die Vorsorgevollmacht zu gestalten?

Ferner stellt sich die Frage, in welcher Art und Weise die Vollmacht ausgestaltet werden muss. Nach außen wird man sich für eine Blankovollmacht entscheiden müssen. Nach innen allerdings kann je nach Einzelfall ein bunter Strauß an Möglichkeiten der Beschränkung der Vollmacht vorgenommen werden. So bietet sich beispielsweise eine Beschränkung der Vollmacht im Hinblick auf das Erreichen besonderer Ziele, Vorstellungen und Projekte an. Es können Handlungen ausgeschlossen werden oder der Umfang der Vollmacht beschränkt werden je nachdem wie lange der Ausfall des Unternehmers voraussichtlich andauern wird. Ggf. ist auch sinnvoll je nach erwarteter Dauer des Ausfalls unterschiedliche Rechte einzuräumen. So wäre z.B. denkbar bei einem „kürzeren Ausfall“ dem Vertreter im Innenverhältnis lediglich Rechte zur einfachen Verwaltung des Unternehmens einzuräumen. Bei längerem Ausfall gehören wohl zur ordentlichen Unternehmensführung auch Fragen der strategischen Entwicklung des Unternehmens und schließlich kann, bei einem dauerhaften Ausfall auch schon der Beginn einer Unternehmensnachfolge stehen der eingeleitet werden muss. Dabei kann der entsprechende gewünschte Weg schon hier vorgegeben werden. 

Wesentlich ist natürlich, dass diese internen Bevollmächtigungsanweisungen aktuell sind. Das Erreichen von Zielen, die vor Jahren Unternehmensziele gewesen sind, kann nicht mehr Gegenstand einer Vollmacht sein, wenn diese aus aktuellen Gründen nicht mehr interessant sind oder bereits eventuell schon lange erreicht sind. Mit anderen Worten sind Vollmachtsbeschränkungen nur dann sinnvoll, wenn sie regelmäßig auf Aktualität überprüft werden.

Aber Halt. „Blankovollmacht?“ Wieso dass? Diese ist notwendig und geht einher mit folgender Überlegung. Je mehr Einschränkungen sich in dem Vollmachtsformular finden, desto eher wird es Dritte geben, denen gegenüber mit Hilfe der Vollmacht agiert werden soll und die sich dann dem Einwand ausgesetzt sehen: Die Vollmacht reicht für die entsprechende Entscheidung nicht oder noch nicht aus! Jede Einschränkung birgt wieder einen Angriffspunkt gegen die Vollmacht und würde dann wieder im Zweifel eine gerichtliche Entscheidung notwendig machen, ob zum einen die Bevollmächtigung besteht und zum anderen die Notwendigkeit einer Bevollmächtigung gegeben ist. Diese Unklarheiten schwächen die Situation des Vertreters und verzögern ggf. notwendige Entscheidungen wie gerade gezeigt.

Informationen zur Führung des Unternehmens

Ein ganz anderes Problem ist, dass derjenige der Vertreten darf, noch Lange nicht vertreten kann. Denn natürlich bedarf die Ausübung der Vollmacht eines umfassenden Anteils von Informationen. Denn wie soll der Unternehmer vertreten werden, wenn dem Vertreter nicht bekannt ist, wie er die Vertretung ausüben soll. Mithin sollten zu der Vollmacht Informationen zur Verfügung stehen. Unter anderem Folgende:

-    Wer macht was im Unternehmen? Unter anderem Personal, Bank, Produktion, Vertrieb, etc.
-    Welche Bankverbindungen gibt es, wer sind die Ansprechpartner bei den Banken, welche Vereinbarungen gibt es dort?
-    Welche wichtigen Verträge gibt es? Versicherungen, Leasingverträge, Beteiligungen, Darlehen, Arbeitsverträge, Factoring, Bürgschaften.
-    Welche wichtigen Fälligkeiten gibt es? Kündigungsdaten von Verträgen, welche Fristen gelten für die Verlängerung und z. B. das Ziel von Optionen. Welche Markenschutzrechte sind zu pflegen?
-    Welche wichtigen Unterlagen gibt es und wo sind diese?
-    Welche wichtigen Geschäftsbeziehungen gibt es? Gibt es besondere Absprachen mit Geschäftsbeziehungen?
-    Wo sind die EDV-Passwörter und die Türschlüssel? Gibt es einen Code für den Tresor?

Bei der Ausgestaltung der Vollmacht ist weiter zu beachten: 

-    Es kann eine Person oder es können verschiedene Personen, die jeweils alleine oder gemeinsam das Unternehmen vertreten. Beides kann sinnvoll sein. Bei mehreren Personen kann dies von Interesse sein, wenn einerseits die unterschiedlichen Personen sich untereinander kontrollieren sollen oder aber eben bei einzelnen Personen das besondere Know-how vorhanden ist, um die entsprechende Vertretung vorzunehmen. Allerdings muss bei mehreren Personen auch untereinander abgeglichen werden, wie diese miteinander agieren können und dürfen. Mehrere Personen können einander blockieren. Es kann zu unauflöslichen Widersprüchen kommen.

-    Wenn Bedenken bezüglich einer Vertretung durch mehrere Personen bestehen, kann es sinnvoll sein, dass eine Kontrolle anderweitig stattfindet. Dies ist realisierbar durch die Schaffung eines Beirates oder von Prüfern. Allein: Wenn Sie zu viel Kontrollbedürfnis gegenüber dem von Ihnen eingesetzten Vertreter haben, dann besteht die Frage, ob hier der/die Richtige oder die Richtigen in Verantwortung gehoben werden.

-    Schließlich sollte die Vollmacht unbedingt sein und bei einer vertrauenswürdigen Person hinterlegt werden.

Wie schon gezeigt bedarf es der Blankovollmacht. Auch sonst gilt: Je mehr Einschränkungen sich in dem Vollmachtsformular finden, desto eher wird es Dritte geben, die die Vollmacht so nicht akzeptieren wollen. Gleiches gilt für die Einschränkung: „Sollte ich geschäftsunfähig sein“. Woher soll der Geschäftspartner Ihrer Firma wissen, dass der Unternehmer gerade ausfällt? Dies ist nicht nachprüfbar. Im Zweifel wird er eine entsprechende Vollmacht zurückweisen. Daher ist der sinnvollere Weg der, bei einer Vertrauensperson die entsprechende Vollmacht zu hinterlegen und diese anzuweisen, dass sie selbst die Blankovollmacht an den Vertreter herausgeben soll, wenn sie der Auffassung ist, dass dies notwendig ist.

Dies sind die Überlegungen die Sie anstellen müssen:

•    Wer soll vertreten?
•    Welche Rechte sollen eingeräumt werden?
•    Soll eine Kontrolle geschaffen werden? Wenn ja, wie und vom wem?
•    Sind ggf. je nach erwarteter Dauer des Ausfalls andere Gestaltungen notwendig?
•    Sind die Informationen vollständig?
•    Wer soll entscheiden ob die Vollmacht in Kraft treten soll?


Zusammenfassend gilt:

Die Schaffung einer Vertretungsvollmacht mit entsprechender Informationsbasis ist für den Fall des Ausfalls des Unternehmers für das Unternehmen überlebensnotwendig. Nur durch die entsprechende Vorsorge kann der Schaden für das Unternehmen minimiert werden und verhindert werden, dass zum Unfall auch noch eine existenzbedrohende Situation des Unternehmens hinzukommt. Vorsorge ist hier angebracht.